Usability-Testing für Softwarewerkzeuge in den Digital Humanities am Beispiel von Bildrepositorien

workshop / tutorial
Authorship
  1. 1. Leyla Dewitz

    Technische Universität Dresden, Institut für Philosophie

  2. 2. Sander Münster

    Technische Universität Dresden, Institut für Philosophie

  3. 3. Florian Niebling

    Chair of Applied Computer Science and Artificial Intelligence - Julius-Maximilians Universität Würzburg (Julius Maximilian University of Wurzburg)

Work text
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Einleitung

Kennen Sie diese Erfahrung? Bei der Suche in einem Bildrepositorium rücken die gesuchten Inhalte erst einmal in den Hintergrund, da sich die Auseinandersetzung mit den Funktionsweisen der Webanwendung als erste, oftmals zeitraubende Hürde erweist.
Usability-Testing ist eine Methode, um die Gebrauchstauglichkeit von bereits fertigen oder sich in der Entwicklung befindlichen Anwendungen zu messen. Methoden der nutzerzentrierten Evaluierung interaktiver Softwarelösungen können die Umsetzung digitaler Arbeitstechniken in den Geisteswissenschaften wesentlich unterstützen (Bulatovic et al. 2016). Dabei spielen
Usability
(dt.: Gebrauchstauglichkeit) und die
User Experience (UX)
(dt.: Nutzererlebnis) eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung von Webanwendungen und Softwaretools und deren Zugänglichkeit. Webanwendungen können durch die Evaluation von Nutzergruppen besser auf deren Bedürfnisse angepasst werden und bei der zielgruppengerechten Optimierung zu einem qualitativen Fortschritt in der Anwendbarkeit digitaler Repositorien verhelfen (Burghardt & Wolff 2014).

Schwerpunkte des Workshops sind:

Teilnehmer lernen grundlegende UX-Techniken kennen und anzuwenden.
Diese werden anhand des Prototyps erprobt und vertiefend erlernt.
Usability-Schwachstellen können durch eine simulierte Usability-Testing Situation durch Teilnehmer erkannt und erlernte Methoden in einen Anwendungskontext gestellt werden.

Zunächst werden die zehn Regeln für Usability nach Steve Krug (2016) und die acht goldenen Regeln des Interface Designs nach Ben Schneidermann (2016) vorgestellt und anhand derer eine Einführung in die Thematik gegeben. Daraufhin sollen die Teilnehmer für den Umgang mit Bildrepositorien am Beispiel der 3D-Webanwendung der Nachwuchsforschungsgruppe HistStadt4D sensibilisiert werden. Der Prototyp der Forschungsgruppe soll in einem nächsten Schritt, von Teilnehmern auf Aspekte der Usability hin geprüft werden. Hier werden die Usability-Methoden wie
Paper-Prototyping von den Workshop-Teilnehmern angewendet. Ziel ist die Orientierung der Usability an Forschungsfragen spezifischer Nutzergruppen, ihrer Bedürfnisse und Anforderungen an ein System anhand von zuvor gebildeten
Personas. Insbesondere soll dadurch eine nutzerzentrierte Optimierung der Funktionalitäten und der Durchsuch- und Auffindbarkeit von Bildmaterialien im Repositorium erreicht werden. Hier werden Feedbacks für die Nachwuchsforschungsgruppe von den Arbeitsgruppen eingeholt, um die Verbesserung der Webanwendung voranzubringen. Dieser Workshop fokussiert dabei vor allem Bildrepositorien; vermittelte Inhalte lassen sich aber ebenso auf andere Repositorien übertragen. Der Workshop richtet sich vorrangig an Kunst- und Architekturhistoriker, Nutzer und Anbieter von Bild- und Fotoarchiven sowie Digital Humanists im Bereich Bild. Während des gesamten Workshops stehen wissenschaftliche Mitarbeitende des Projekts für Fragen und Auskünfte zur Verfügung.

Problemaufriss und Nutzen

Usability-Tests werden nur selten in der Evaluierung von DH-Tools als Messinstrument für die Nutzerzufriedenheit bzw. Gebrauchstauglichkeit von Systemen eingesetzt. Nach Schreibmann & Hanlon (2010) ergab eine Umfrage unter Entwicklern, dass nur etwa 31% Usability-Tests zur Evaluation von Webtools und Software heranziehen. Zudem werden Usability-Methoden im Entwicklungsprozess von Systemen oft erst spät eingebunden (Kirschbaum 2004). Das führt vor allem zu Hürden in der Etablierung digitaler Methoden in den Geisteswissenschaften. Die Integrierung nutzerzentrierter Evaluation würde diese Einstiegshürde für Geisteswissenschaftler mit geringer digitaler Expertise minimieren. Die Usability von Tools ist somit ein Schlüsselfaktor, um die Akzeptanz digitaler Werkzeuge in der Arbeitspraxis von Forschern zu erhöhen. Die gebrauchstaugliche Gestaltung von Arbeitsabläufen kann effektives Arbeiten erleichtern und Bedienungsfehlern vorbeugen. Folglich sind Usability-Tests heutzutage ein Standardelement in den meisten Software-Entwicklungsprozessen. Eine Anwendung dieser Methoden führt darüber hinaus zu einer nachhaltigen Nutzbarkeit von Ressourcen sowie zur Erschließung neuer bzw. fachfremder Communitys (Bulatovic et al. 2016).
Nutzerzentrierte Gestaltung definiert dabei nur ein Vorgehensmodell, in dem die Bedürfnisse von Nutzern am Anfang stehen. Es muss eruiert werden, welche Methoden für die Evaluation des Tools am geeignetsten erscheinen. Die Usability-Forschung liefert hierfür passende Methoden und Lösungen: Benutzertests mit Prototypen, Personas, Beobachtungen, Befragungen, Fokusgruppen, lautes Denken, Expert-Review oder heuristische Evaluationen (Nielsen 1994, Schneidermann 1998, 1996, Sarodnik & Brau 2006, Tullis & Albert 2013).

Projektskizze HistStadt4D im Bereich Digital Humanities
Digitalisate historischer Fotografien und deren Nutzbarkeit für die geschichtswissenschaftliche Forschung und quellenbasierte Vermittlung stellen ebenso wie spatiale Modelle historischer Objekte Kernthemen der Digital Humanities dar. Anhand stadt- und baugeschichtlicher Forschungsfragen und Vermittlungsanliegen zur Historie der Stadt Dresden adressiert das Projekt die Untersuchung und Entwicklung von methodischen und technologischen Ansätzen, um umfangreiche Repositorien historischer Medien und Kontextinformationen räumlich dreidimensional sowie zeitlich zusammenzuführen, zu strukturieren und zu annotieren sowie diese für Wissenschaftler und Öffentlichkeit mittels eines 4D-Browsers sowie einer ortsabhängigen Augmented-Reality-Darstellung als Informationsbasis, Forschungswerkzeug und zur Vermittlung geschichtlichen Wissens nutzbar zu machen. Prototypische Datenbasis stellen u.a. digitalisierte historische Fotografien der Deutschen Fotothek dar.
Das fünfzehnköpfige, interdisziplinäre Projektteam befasst sich u.a. mit der Usability der Anwendung, einer didaktischen Aufbereitung der Informationen bzw. Visualisierungen sowie der zielgruppenorientierten Entwicklung von Forschungswerkzeugen und Augmented-Reality-Anwendungen. Die Kollaborationsplattform für Wissenschaftler betrachtet wissenschaftliche Standards genauso wie motivierende Gamification-Ansätze, die im Sinn von Citizen Science einen Anreiz für die breite Öffentlichkeit geben, dass virtuelle Modell zu vervollständigen.

Programmplanung – Ablauf des Workshops

Der Ablauf des Workshops gestaltet sich dabei folgendermaßen: Anfangs sollen Grundlagen geklärt und die Relevanz des Einsatzes von Usability-Methoden für die Digital Humanities insbesondere im Kontext digitaler Bildrepositorien vermittelt werden. Im praktischen Teil des Workshops soll das zu testende Tool vorgestellt und in seine Funktionsweise eingeführt werden. Als Testbeispiel dient der in der Nachwuchsforschungsgruppe entwickelte Prototyp – eine Webanwendung, die in einem modernen, HTML5/webGL-fähigen Browser läuft. Die Workshop-Teilnehmenden werden mittels Personas mögliche Perspektiven von Nutzern einnehmen. Einen Großteil des Interface nimmt ein 3D-Viewport ein, in dem Nutzer die Möglichkeit haben ein 3D-Stadtmodell zusammen mit verorteten Bildern zu erkunden. Das Interface soll im Rahmen der Paper-Prototyping-Methode von den Workshop-Teilnehmern evaluiert werden. Hierdurch möchten wir Kompetenzen der Teilnehmer fördern, indem wir Testsituationen schaffen, in denen Usability-Probleme gefunden und Ansätze für Lösungen proaktiv eingebracht werden können. Der Input der Teilnehmer ermöglicht es uns, Lösungsansätze, die wir in unserer Nachwuchsforschergruppe verfolgen, kritisch prüfen zu lassen und vor allem diejenigen, die mit solchen Quellenbeständen arbeiten, mit ihren Erfahrungen und Wünschen, zu Wort kommen lassen. Den Workshop-Teilnehmern bieten wir einen zielgerichteten Einblick in Theorien und Methoden der Usability, sowie eine qualitativ hochwertige Diskussion und einen tiefgreifenden Erfahrungsaustausch.
Wie bereits während des im letzten Jahr erfolgreich durchgeführten Workshops „Digitale Bildrepositorien – wirkliche Arbeitserleichterung oder zeitraubend“ der Nachwuchsforschungsgruppe HistStadt4D, werden auch diesmal gezielte, auf den Anwendungsbedarf ausgerichtete Aufgaben, die der tatsächlichen kunsthistorischen Tätigkeit entlehnt sind, an die Teilnehmer gestellt. Diese sollen im besten Falle Usability-Schwachstellen des Tools aufzeigen und somit aktiv in den Workshop und in die Lösung des gestellten Problems involviert werden.
Der Ablauf des Workshops gestaltet sich dabei folgendermaßen:

11:00 – 11:15 Uhr Vorstellung der Nachwuchsforschungsgruppe und Einführung in die Thematik

11:15 – 11:45 Uhr Vorstellung von Usability-Methoden

11:45 – 12:00 Uhr Vorstellung des Prototyps
(3D-Webanwendung Stadtmodell Dresden)

12:00 – 13:00 Uhr Mittagspause

13:00 – 14:30 Uhr Usability-Testing anhand von Beispielaufgaben

14:30 – 14:45 Uhr Kaffeepause

14:45 – 15:15 Uhr Auswertung mit gemeinsamer Präsentation der Erfahrungen zur Ergebnissicherung

Ausblick

Der Workshop soll zur Sensibilisierung der DH-Community sowie der von Entwicklern der Bildrepositorien beitragen, indem praxistaugliche und allgemein verwendbare Methoden der Usability- und UX-Methoden vermittelt und erste Fähigkeiten erlernt werden.

„Usability ist das Ausmaß, in dem ein System durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen.“
(ISO 9241-11).

„Wahrnehmungen und Reaktionen einer Person, die aus der tatsächlichen und/oder der erwarteten Benutzung eines Produkts, eines Systems oder einer Dienstleistung resultieren. [...] Dies umfasst alle Emotionen […] und Reaktionen, Verhaltensweisen und Leistungen, die sich vor, während und nach der Nutzung ergeben.“
(DIN ISO 9241-210).

Paper-Prototyping
ist eine interaktive Methode im Evaluationsprozess, der Entwicklern hilft, Informationsarchitekturen und Designs nutzerzentriert auszurichten bzw. anzupassen. Nutzer skizzieren auf Papier grobe, für sie visuell sinnvoll positionierte Funktionalitäten und Elemente einer spezifischen Benutzeroberfläche für die zu evaluierende Webanwendung (Martin & Hanington 2012).

Personas sind fiktive Personen, die konstruiert werden, um bestimmte Personengruppen und deren Bedürfnisse aufzuzeigen um bspw. eine Webanwendung nutzerzentriert ausrichten und Anforderungen definieren zu können.

(Martin & Hanington 2012).

Bibliographie

Bulatovic, N / Gnadt, T / Romanello, M / Stiller, J / Thoden, K (2016): Usability in Digital Humanities - Evaluating User Interfaces, Infrastructural Components and the Use of Mobile Devices During Research Proces. In 20th International Conference on Theory and Practice of Digital Libraries, TPDL 2016, Hannover, Germany, September 5–9, 2016, Proceedings. Research and Advanced Technology for Digital Libraries.

DIN EN ISO 9241-11:1998: Ergonomic requirements for office work with visual display terminals. Part 11: Guidance on usability.

DIN EN ISO 9241-210:2010: Ergonomics of human-system interaction. Part 210: Dialogue principles.

Kirschenbaum, M G (2004): So the Colors Cover the Wires’: Interface, Aesthetics, and Usability. In A Companion to Digital Humanities, herausgegeben von Susan Schreibman, Ray Siemens und John Unsworth, 523–42. Blackwell Publishing.

Krug, St (2005): Don't Make Me Think! A Common Sense Approach to Web Usability, 2nd Edition. New York: New Riders Press.

Martin, B & Hanington, B (2012): Universal Methods of Design. 100 Ways to Research Complex, Problems, Develop Innovative Ideas, and Design Effective Solutions. Beverly: Rockport.

Nielsen, J (1994): Usability Engineering. San Francisco: Morgan Kaufmann.

Schneiderman, B (2016): The Eight Golden Ruels of Interface Design. URL: https://www.cs.umd.edu/users/ben/goldenrules.html (28.09.2018).

Shneiderman, B (1998): Designing the User Interface: Strategies for Effective Human-Computer Interaction. Boston: Addison-Wesley.

Shneiderman, B (1996): The Eyes Have It: A Task by Data Type Taxonomy for Information Visualizations. In Proceedings of the IEEE Symposium on Visual Languages, pages 336-343, Washington. IEEE Computer Society Press.

Sarodnick, F / Brau, H (2006): Methoden der Usability Evaluation. Huber Verlag.

Tullis, T / Albert, B (2013): Measuring the User Experience. Collecting, Analyzing, and Presenting Usability Metrics. Burlington/New York: Morgan Kaufmann/Elsevier.

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Conference Info

Incomplete

DHd - 2019
"multimedial & multimodal"

Hosted at Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Johannes Gutenberg University of Mainz), Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main (Goethe University of Frankfurt)

Frankfurt & Mainz, Germany

March 25, 2019 - March 29, 2019

131 works by 311 authors indexed

Conference website: https://dhd2019.org/

Contributors: Patrick Helling, Harald Lordick, R. Borges, & Scott Weingart.

Series: DHd (6)

Organizers: DHd